Brennweiten und ihre Bildwirkung in der Landschaftsfotografie
Das Gute vorab: Jede Brennweite eignet sich für die Landschaftsfotografie! Es ist also in erster Linie egal, mit welcher Brennweite du beginnst, Landschaften einzufangen. Dennoch hat jeder Brennweitenbereich natürlich seine Vorzüge. So ist ein Weitwinkel am Meer ein Muss, der Standard-Zoom-Bereich im Wald vorteilhaft und mit dem Tele-Zoombereich lassen sich in den Bergen monumentale Aufnahmen erschaffen. Aber immer daran denken: Kreativität bei der Fotografie kennt keine Grenzen und besondere Aufnahmen erschafft man auch gerade dann, wenn man sich von dem “Standard” löst. Deshalb erzähle ich euch in diesem Blog-Beitrag nicht, welche Brennweite ihr wo verwenden sollt, sondern erkläre euch die Wirkung, die ihr im Bild mit den verschiedenen Brennweiten erzielt.
Weitwinkelobjektive
Wenn ihr Fotografen nach einem typischen Brennweitenbereich für Landschaftsfotografie befragt, denn werden wahrscheinlich über 90 % für den Bereich von 16–35 mm plädieren. Und es ist tatsächlich so, dass ein 16–35 mm Objektiv in der Tat ein absolutes Work-Horse
in der Landschaftsfotografie darstellt.
Bildwirkung von Weitwinkelobjektiven
Mit dem Brennweitenbereich von weniger als 35 mm zählen diese Objektive zu den Weitwinkelobjektiven. Sie haben den Ruf, sich hervorragend für die Landschaftsfotografie zu eignen, denn damit lassen sich wunderbar weite Landschaften einfangen. Mit dem korrekten Einsatz kann man den Eindruck von der Größe und Weite einer Landschaft für den Betrachter einfangen.
Durch die Verzerrung, die bei Weitwinkelaufnahmen entsteht, kann man auch interessante Perspektiven und Effekte erzielen. Positioniert man die Kamera beispielsweise vertikal und platziert einen Berggipfel am oberen Rand, so wird dieser in die “Höhe gezogen”, also perspektivisch verzerrt, was den Gipfel größer wirken lässt.
Eine weitere Eigenschaft von Weitwinkelobjektiven liegt darin, dass Nahe an der Kamera positionierte Objekte deutlich größer wirken als entfernte. Durch den richtigen Einsatz kann das eine Balance zwischen bspw. Blume im Vordergrund und Berg im Hintergrund ermöglichen.
Durch Aufnahmen mit Weitwinkelobjektiven lässt sich für den Betrachter Aufnahmen erzielen, bei denen er das Gefühl hat, mitten im Geschehen zu sein. Doch der korrekte Umgang mit Weitwinkelobjektiven ist gerade für Anfänger in der Fotografie ein schwieriges Unterfangen.
Häufige Fehler im Einsatz von Weitwinkelobjektiven
Da Weitwinkelobjektive die Eigenschaft besitzen, entfernte Objekte kleiner darzustellen, als sie es tatsächlich sind, ist ein weitverbreiteter Fehler beim Einsatz von Weitwinkelobjektiven nicht nahe genug dran zu sein. Der Berg, von dem man vor Ort so erstaunt war, wirkt auf dem Bild zu Hause weder monumental, noch bringt er den Betrachter zum Staunen.
Viele Anfänger stehen in der Wildnis und sind übermannt von Gefühlen ob der wunderbaren Natur um sie herum, holen die Kamera mit dem Weitwinkel und fotografieren die Szene mit allem, wie sie es eben gerade erleben. Das Ergebnis ist ein Bild mit einem “Haufen Natur” und dennoch irgendwie nichts.
Tipp beim Umgang mit Weitwinkelobjektiven
Gerade beim Einsatz mit Weitwinkelobjektiven ist es notwendig, in Schichten zu denken. Versucht ein Motiv zu finden, dass groß genug ist, dass es auch mit Weitwinkelobjektiv nicht zu klein wird (Ein Leuchtturm, ein Berg, ein großer Baum, und auch wenn es am Strand einfach nur der dramatische Himmel ist funktioniert das). Findet dann den passenden Vordergrund dazu z. B. interessante Muster im Sand, besondere Steine, Gräser, Wurzel etc. und geht nahe ran. Vielleicht noch etwas näher? Macht euch bewusst: Dieser Vordergrund wird der Star der Show! Er ist nicht einfach nur Mittel zum Zweck. Er fängt den Blick des Betrachters und dieser wiederum entscheidet in Bruchteil einer Sekunde, ob er das Bild weiter betrachtet oder nicht.
Versucht nun Vordergrund und Hintergrund zu verbinden. Spielt mit der Höhe und Neigung der Kamera. Steht die Kamera höher, vergrößert sich der Mittelgrund. Ist er nicht interessant genug, versucht eine tiefere Position, dadurch verringert ihr seine Größe und sein visuelles Gewicht.
Aber Achtung: Befinden sich Bäume oder Gebäude im Bild, sollte eventuell auf ein Neigen der Kamera verzichtet werden, da dies zu stürzenden Linien führt. Es sei denn, dies ist aus kreativer Sicht von euch gewünscht.
Standardobjektive
Ein Brennweitenbereich, der bei vielen Landschaftsfotografen weniger Beachtung erhält, ist der Standardbrennweitenbereich, obwohl er sich, wie ich eingangs erwähnt habe, gerade für die Waldfotografie auch gut eignet. Objektive im Standardbrennweitenbereich siedelt man zwischen 35 mm und 70 mm an. Häufig haben die Zoom-Objektive dieser Kategorie aber etwas mehr auf Lager als nur den Standardbereich und beginnen schon im Weitwinkel von 24–70 mm oder haben sogar noch mehr Reichweite in den Telebereich wie mein Allrounder, das Sony FE 4/24–105 mm.
Bildwirkung von Standardobjektiven
Der Einsatz dieser Objektive ist eine Option, wenn kein besonderer Vordergrund vorhanden ist oder aber das entfernte Motiv im Hintergrund durch Weitwinkel zu klein werden würde und man nicht näher herankommt. Im Standardbrennweitenbereich ist das optische Phänomen der Verzerrung, aber auch die Illusion der Komprimierung (wir gehen darauf später bei den Telebereichen darauf ein) praktisch nicht vorhanden bzw. ausgeglichen.
Denken wir an den Anfänger von oben, so wäre er inmitten der atemberaubenden Natur, die ihn umgibt, gut beraten, sich einige interessante Bereiche mit einem Standardobjektiv herauszupicken und diese zu fotografieren, als alles auf ein Bild zu packen. Wahrscheinlich hätte er danach einige interessante Bilder anstelle von einem nichtssagenden Foto mit einem Haufen etwas.
Die Eigenschaft des Standardbrennweitenbereichs können wir uns gut zunutze machen, um Details in der Landschaft hervorzuheben oder den Fokus auf bestimmte Elemente im Bild zu legen. Ab diesen Brennweiten wird es auch zunehmend unmöglich, alles im Bild von Vordergrund bis in den Hintergrund ohne Fokus-Stacking scharf zu bekommen. Deshalb sollte man ggf. einen Vordergrund auch bewusst out-of-focus aufnehmen, wenn sich das anbietet, um Tiefe im Bild zu schaffen.
Aufgrund ihrer geringen Verzerrung eignen sie sich auch gut für das Erstellen von Panoramaaufnahmen.
Häufige Fehler im Einsatz von Standardbrennweite
Auch wenn im Standardbrennweitenbereich der Bildwinkel bereits etwas enger wird und damit das Vereinfachen einer Szene leichter von der Hand geht, so sollte man dennoch darauf, dass man störende Bildelemente im Bildaufbau eliminiert und das Bild sinnvoll füllt. Wie immer gilt, dass alles, was im Bild vorhanden ist, auch dem Bild dienlich sein sollte. Motiv und negativer Raum sollte in visueller Balance sein und es sollte ebenfalls möglichst viel Tiefe im Bild erzeugt werden.
Tipps beim Umgang mit mit der Standardbrennweite
Darum sollte man auch beim Fotografieren von Landschaften im Standardbrennweitenbereich in Vorder‑, Mittel- und Hintergrund denken, wobei dem Vordergrund deutlich weniger Bedeutung zuteilwird als bei einer Weitwinkelaufnahme und das Hauptmotiv häufig Teil des Mittelgrunds ist. Ausnahmen natürlich jederzeit möglich.
Man sollte sich auch darüber bewusst sein, dass es durchaus Landschaften gibt, in denen Weitwinkelobjektive einfach nicht funktionieren. Das sollte jeder Landschaftsfotograf wissen. Ich persönlich bspw. habe kaum ein Bild aus der Toskana gesehen, dass mit dem Weitwinkel aufgenommen wurde und die Landschaft mit ihren sanften Hügeln auch nur annähernd gerecht wird. Für solche Fälle ist das Standardbrennweitenbereich und Telebereich in der Landschaftsfotografie beinahe unabdingbar.
Teleobjektive
Teleobjektive haben eine Brennweite von mehr als 70 mm bspw. ein 70–200 mm und auch wenn ich in meiner Anfangszeit als Landschaftsfotograf häufig zu hören bekam, dass sie sich der Telebereich für die Landschaftsfotografie angeblich weniger eignen sollte, so ist mein 100–400 mm heute eins meiner am häufigsten genutzten Objektive. Und das nicht aus Faulheit, weil ich damit näher an entfernte Motive heranzoomen kann. Nein. Zwei Charaktereigenschaften dieses Brennweitenbereichs spielen für meine Landschaftsfotografie eine besondere Rolle. Durch ihren schmalen Bildwinkel ist es erstens leichter, komplexe Szenen zu vereinfachen und durch die optische Illusion der Verdichtung lassen sich ganz besondere Aufnahmen erstellen.
Diese und alle andere Aufnahmen dieses Beitrags kannst du unter “Prints” als Kunstdruck für deine Wand zu Hause direkt bei mir anfragen.
Bildwirkung von Teleobjektiven
Diese Verdichtung sorgt dafür, dass ein Hintergrund den Anschein erweckt, näher am Motiv im Vordergrund zu sein. Hierbei handelt es sich nur um eine optische Illusion. Das Teleobjektiv holt diesen Hintergrund nicht wirklich näher heran. Diese Eigenschaft ist in den Bergen eine tolle Möglichkeit, ein Motiv bspw. ein Wanderer im Vordergrund vor einer massiven Felswand abzulichten. Da nur ein kleiner Ausschnitt der Felswand zu sehen ist, wirkt diese riesig und monumental.
Der schmalere Bildwinkel eignet sich wunderbar auch für minimalistischere und intimere Aufnahmen. Die kleinen Details in der Landschaft können manchmal die großen Aussichten ergänzen und in manchen Fällen durchaus auch in den Schatten stellen. Mit dem Teleobjektiv in der Kameratasche sollte man also durchaus beginnen, seinen Blick dafür zu schärfen.
Häufige Fehler beim Einsatz von Teleobjektiven
Der Einsatz von Teleobjektiven macht ein Denken in Vorder‑, Mittel- und Hintergrund fast unmöglich. Häufig pickt man sich ein Detail aus der Natur heraus und durch die Positionierung der Kamera ergibt sich der Hintergrund. Recht simpel. Dennoch sollte man darauf achten, dass sich Hintergrund und Motiv nicht gegenseitig stören. Dies kann man beim Fotografieren z. B. durch Separierung gleicher Farben oder Tonwerte erreichen.
Zudem sollte man die Belichtungszeit im Auge behalten, aus der Hand fotografiert, sollte man bei einer so langen Brennweite eine ausreichend kurze Belichtungszeit wählen. Hier hilft die 1 Sek. /Brennweite-Regel. Diese besagt, dass die Belichtungszeit kürzer als 1 Sekunde geteilt durch die Brennweite sein sollte. Also bei 100 mm: 1 Sek. / 100 = 0,01 Sek. Bildstabilisation in modernen Kameras und Objektiven helfen dabei auch längere Belichtungszeiten wählen zu können.
Ansonsten kann man mit dem Einsatz von Teleobjektiven erfreulicherweise recht wenige Fehler machen. Dennoch gibt es einige Tipps für den Umgang mit den langen Brennweiten.
Tipps beim Umgang mit Teleobjektiven
Bei vielen Landschaftsfotografen fristet das Teleobjektiv ein Schattendasein im Kamerarucksack, dabei kann man sich dessen Eigenschaften wunderbar zunutze machen.
Nehmen wir das Beispiel einer Waldaufnahme. Häufig möchte ich vermeiden, dass der Himmel, der durch das Blätterdach scheint, auf dem Bild zu sehen ist. Die hellen Bildbereiche nehmen für manche Szenen zu viel Aufmerksamkeit des Betrachters in Anspruch. Nutze ich nun eine größere Brennweite und gehe einige Meter zurück, so kann ich den gleichen Bildausschnitt meines Motivs wählen, ohne Himmel im Bild zu haben.
Ein weiterer Einsatz sollte immer dann geprüft werden, wenn der Himmel wenig dramatisch ist und auf dem Foto ohnehin ein langweiliger Fleck wäre. Gerade in den Bergen lässt sich dann durch die Verdichtung der Szene den Himmel ausgrenzen und dem Betrachter ein Gefühl der Größe vermittelt werden. Außerdem eignet sich ein Teleobjektiv, wie auch die Standardbrennweiten wunderbar um kleine Szenen, also Details in der Natur und auch abstrakte Motive aufzunehmen.
Fazit
Die Wahl der Brennweite ist ein wichtiger Aspekt in der Landschaftsfotografie. Weitwinkelobjektive eignen sich gut, um weite Landschaften zu erfassen, den Umgang mit ihnen muss man aber deutlich stärker trainieren, damit ein Bild funktioniert. Standardobjektive sind vielseitig einsetzbar, vor allem durch heutige Standardzooms mit großen Brennweitenbereichen von 20–70 mm oder 24–105 mm sind sie unheimlich flexibel. Aber auch Teleobjektive sind hervorragende Begleiter, wenn es um das Skalieren und Verdichten einer Szene geht, gerade für intimere und minimalistischere Aufnahmen. Es lohnt sich also mit verschiedenen Brennweiten zu experimentieren. Macht euch also mit der Bildwirkung durch die jeweilige Brennweite vertraut, um den Effekt im Bild zu erzielen, den ihr haben möchtet.