Motive vor der Haustür
Suchen und finden von Fotomotiven
„Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“
– Johann Wolfgang von Goethe –
7 Tipps für neue Inspiration und Motivation
Im November verhängten die Behörden einen weiteren Lockdown, und statt ihn im Dezember zu lockern verschärften sie ihn auch noch. Trotzdem sollte man nicht nur zu Hause bleiben, sondern raus an die frische Luft, z.B. um Motive vor der eigenen Haustür zu finden…
Gear:
Kamera: Sony a7 III
Objektive: Sony SEL 24–105mm f/4,0 G OSS
Sony Vario-Tessar T* FE 16–35mm F/4 ZA OSS
Sigma 100–400, f5‑6,3 DG DN OS
Drohne: DJI Mavic Air 2
Es gibt Branchen, die trifft der Lockdown ganz besonders. Je nach Spezialisierung sind auch Fotografen im professionellen Bereich im besonderen Maße betroffen. Landschaftsfotografen dürften gerade die Reiseeinschränkungen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Aber auch die Amateurfotografen schränkt die Einschränkung der Reisemöglichkeiten ein, neues zu entdecken und zu fotografieren. Viele (auch Profis) aber nutzen die Gelegenheit, um die Region oder das Land direkt vor der eigenen Haustür zu entdecken. Doch oftmals tut man sich beim Finden von Motiven vor den eigenen vier Wänden schwer oder ist nahezu blind. Woher kommt das?
Was wir täglich sehen “nutzt sich ab”
Das Betrachten des „Alltäglichen“ ist es, was unsere Aufmerksamkeit dafür schwinden lässt. Man könnte sagen, es nutzt sich ab. Man hat sie jeden Tag vor Augen, die Motive von denen manch Fremde eventuell begeistert sind. Doch für einen selbst sind sie immer da und darum betrachtet man sie kaum noch, geht beiläufig daran vorbei und verpasst somit womöglich großartige Aufnahmen. Was können wir also tun? Wir müssen versuchen den Sinn zu schärfen und selbst Dinge, die einem jeden Tag vor den Füßen liegen anzuschauen und zu hinterfragen: Wie verändert sich dieses oder jenes Subjekt im Licht? Wie mach ich es zu einem tollen Motiv? Kann ich es noch interessanter auf ein Foto bringen oder generell was kann ich machen, damit es für mich wieder interessanter wird?
Dass wir viele Landschaften, Gebäude oder Sehenswürdigkeiten, die mehr oder weniger zu unserem Alltag gehören als langweilig betrachten, liegt glaube ich in der Natur des Menschen. Aufgefallen ist mir das vor Jahren das erste Mal, als wir Besuch aus dem Ausland hatten, welche die kleine Kapelle auf unserem kleinen „Berg“ am Ortsrand total faszinierte und die unbedingt Heidelberg anschauen wollten und sich dann beinahe überschlugen vor Begeisterung, als sie dort waren.
Beides Orte, die ich seit meiner Kindheit 1000-fach gesehen und besucht hatte und in mir keine Faszination mehr auslösten. Eher war ich genervt von Ihnen, weil sie da sind, wo sie immer waren und sich nicht veränderten. Heute weiß ich, dass das nicht der Fall ist. Unsre Umgebungen ändern sich ständig, schon allein durch die Jahreszeit, das Wetter, die Tageszeit, etc. warum also nicht genau das einmal nutzen, um die Motive in der Heimat einmal neu zu entdecken. Damit sind wir also schon bei Tipp 1.
Tipp1: Serien erstellen
Ein in der Landschaftsfotografie gerne genutztes Stilmittel, um bspw. eine Veränderung über die Zeit darzustellen ist die Serie. Hierzu fotografiert man ein und dasselbe Motiv zu mehren Uhrzeiten oder Jahreszeiten, oder verschiedenen Wetterverhältnissen aus der gleichen oder ähnlichen Position.
Zugegebener Maßen habe ich es nicht ganz geschafft mir die Position zu merken, aber dennoch ist es erkennbar, dass es sich um den gleichen Baum handelt, der im sommerlichen Sonnenlicht eine ganz andere Anmut hat, als an einem nebelverhangenen Herbstmorgen oder bei Einzug des ersten Frostes im Winter. Die Bildkomposition unterscheidet sich ein wenig, dennoch ist es eine Serie von ein und dem selben Motiv, aber drei völlig unterschiedliche Bilder. Meiner Meinung nach, macht die Darstellung der Veränderung, dieses recht banale Motiv wieder spannend.
Bei den beiden nächsten Fotos habe ich die Perspektive deutlich besser getroffen. Glücklicherweise vergingen zwischen beiden Aufnahmen auch nur einige Tage. Den wunderschönen Herbstmorgen mit etwas Nebel über den Weinbergen, durch den glücklicherweise bereits die ersten Sonnenstrahlen hindurchleuchteten, konnte ich im November-„Lockdown“ aufnehmen.
Nur wenige Tage später am 01. Dezember schneite es und ich konnte das gleiche Motiv erneut ablichten, aber diesmal in einer völlig anderen Grundstimmung. Es lohnte sich gleich morgens los zu ziehen (Home-Office und flexiblen Arbeitszeiten sei dank) oder den Spaziergang von der Mittagspause in den Morgen vorzuziehen. Denn nur einige Zeit später schmolz der Schnee und viele andere Neugierige hinterließen ihre Spuren im Schnee.
Tipp 2: Auf Details konzentrieren
Wenn ich an manchen Tagen einfach keine Komposition in der Landschaft finde, oder für mich alles keine Spannung erzeugt, oder alles nur trist und langweilig wirkt, dann versuche ich mich manchmal einfach nur auf Details zu fokussieren.
Mein Blick geht dazu nicht in die Ferne oder auf die Landschaft, durch die ich laufe, sondern ich schaue immer wieder zu Boden, an die Rinde von Bäumen, an die Enden von Sträucher, Schaue mir Pflanzen aus der Nähe an. Manchmal sitzen winzige Geschöpfe auf deren Blätter, die man auch manchmal ohne ein Makroobjektiv fotografieren kann.
So entdeckte ich diese skurrile, in Eis geformte Kurve in einer frostigen Pfütze, die nicht nur ein Detail sondern auch eine etwas abstrakte Fotografie darstellt. Oder die frostigen, zu Boden gefallenen Herbstblätter. Das verlassene Vogelnest, das ebenfalls voll Frost hing, so wie die Hagebutten. Dennoch ist es auch bei Detailaufnahmen wichtig, nicht nur die Dinge zu fotografieren, sondern eine schöne Bildkomposition zu gestalten.
Zugegebener Maßen hatte ich etwas Glück mit dem Wetter, denn der Frost, den wir an einigen Tagen hatten, ermöglichte natürlich interessantere Motive, als hätte es keinen gegeben. Aber das ist ja in der Landschaft- und Naturfotografie das schöne, dass sich die Szenerie und die Natur immer wieder verändert, so dass auch kein Foto dem anderen gleicht.
Tipp 3: Abstrakte Landschaftsfotografie
Es kommt selten vor, dass ich in diese Sparte der Landschaftsfotografie übergehe, aber dennoch kann sie eine Möglichkeit darstellen, das gewohnte Metier zu verlassen und in etwas Neuem eine neue Motivation zu finden und Motive, die man vielleicht schon x‑fach fotografiert hat, einmal anders darzustellen.
Links sind nur die Stämme der vielen, wie Zinnsoldaten aufgereihten Bäume zu sehen, die im leicht nebligen Wald ein eher unheimliches Ambiente erzeugen. Im rechten Bild trugen die Winde der letzten Tage dazu bei, dass bei diesen Silberbirken kein Blatt mehr auf den Ästen hängt. Der Dunkle Wald im Hintergrund hilft dabei das knorrige Geäst der Birken vom Rest des Bildes abzuheben. Fast schon gespenstisch sehen diese Bäume am Rande des Waldes aus, die Äste wie tausende kleiner Tentakeln.
Beim nächsten Bild links, half wieder der Nebel ein wenig, um die gespenstische Stimmung zu erzeugen. Die Sonne war bereits einige Zeit aufgegangen und durch eine geschickte Positionierung meiner selbst, zwischen Gestrüpp und hohem Gras, konnte ich die Sonne direkt in die Schlaufe des Baumes mit dem abgeknickten Ast legen. Das Gegenlicht lässt in diesem Fall keine Details nur die Silhouette des gespenstisch aussehenden Baumes erkennen.
Ein weiterer Baum der am Rande eines Naturschutzgebietes direkt in meinem Heimatort steht , der mir noch nie zuvor aufgefallen ist, ist auf dem Bild rechts abgelichtet. Erst die bewusste Suche, nach abstrakteren Motiven ließen mich dieses Motiv erkennen. Ich weiß in der Landschaft geht es noch abstrakter, bis dahin, dass man erst eine Zeit lang überlegen muss, um was es sich handelt, aber für eine grobe Richtung in die abstrakte Landschaftsfotografie reicht es allemal.
So ist auch das nächste Bild des Rapsfeldes recht abstrakt. Fokussiert wurde auf eine alleinstehende Blüte, eine möglichst große Offenblende sollte das Feld dahinter in Unschärfe bringen.
Eine weitere Möglichkeit für ein abstraktes Foto, wäre mit Bewegungsunschärfe und etwas längerer Belichtungszeit zu fotografieren. So kann man bspw. die Kamera bewusst nach links, rechts oben oder unten bewegen, während die Belichtung stattfindet. Dies kann ein Foto erzeugen, dass wie ein abstraktes Gemälde wirkt.
Tipp 4: Perspektiven ändern
Um die „gewohnten“ Motive anders darzustellen hilft es immer wieder andere Perspektiven zu suchen. Dies kann natürlich ortsbezogen oder aber auch von der Höhe der Kamera erreicht werden.
Der Kirchturm meines Heimatortes an einem tristen Novembertag wie auf diesem Bild vollkommen „freigestellt“, von dem was ihn sonst so umgibt. Die Gebäude, die eng an ihm stehen, der ganze Ort, und das Kirchenschiff bestimmen normalerweise sein grundsätzliches Aussehen. Für dieses Bild habe ich eine ungewöhnliche Position gesucht, die etwas abgelegen außerhalb des Ortes liegt und bin tief in die Hocke gegangen, um alles was normalerweise um den Kirchturm passiert, einmal auszublenden.
Wenn man die Möglichkeit besitzt, dann kann man auch hier einmal nur mit Details arbeiten und mit dem Tele-Objektiv bspw. die Kirchturmspitze alleine fotografieren, wie auf dem nächsten Bild.
Ich persönlich habe mir eine Drohne zu gelegt. Auch sie hilft mir immer dann, wenn ich am Boden einfach nicht zu einem Ergebnis komme weiter, denn aus der Vogelperspektive sieht für uns alles ein wenig anders aus. Alles kann über ein Motivtions- oder Kreativitätsloch hinweg helfen. Muss aber nicht.
Tipp 5: Weiterbilden
Kein Witz, warum nicht die Zeit einfach mal nutzen und sich ein Buch über Fotografie, Bild-Komposition oder Wettervorhersagen kaufen und lesen. Ich für meinen Teil wollte gerade im letzten Thema mich deutlich verbessern und dazu lernen, jetzt wo ich im „Lockdown“ sowieso mehr Zeit zu Hause verbringen musste. Und ich muss sagen, dass kein anderes Buch im Bereich der Fotografie mir so sehr weitergeholfen hat.
Nun bin ich an Ort und Stelle immer genau dann wann ich es sein sollte, um die Aufnahme zu machen, die mir vorschwebte. Im Eingangsbild ganz oben, von der Schindelbergkapelle war ich z.B. genau zur richtigen Zeit am richtigen Tag, am richtigen Ort, um den schönen Sonnenaufgang mit Sonnenstern zu fotografieren.
Ich habe am Vortag die passende Wetterkonstellation für mich entdeckt, Sonnenstand betrachtet und am nächsten Morgen etwas früher aufgestanden, um zu der Kapelle einige Ortschaften weiter zu fahren.
Für ein Foto des Schloss Angelbachtal (Links) wollte ich genau dieses Wetter haben, wie ich es an dem Tag vorfand. Für dieses Foto bin ich genau einmal nach Angelbachtal gefahren, nicht zweimal oder öfter.
Das Abendrot konnte man in der Wettervorhersage voraussehen. Also machte ich etwas früher Feierabend (gut, dass dies an dem Tag auch möglich war) und fuhr nach Angelbachtal. Völlig ohne Hektik baute ich Stativ und Kamera auf und suchte nach der in meinen Augen schönsten Komposition für dieses Motiv.
Dann wartete ich einige Zeit, bis das Abendrot sich richtig ausgearbeitet hatte und schoss das Bild. Als ich wusste, dass es nicht mehr schöner wird, packte ich ein und ging nach Hause.
Im Lockdown habe ich dieses Wissen natürlich vermehrt für Motive in meiner Umgebung angewandt. Und konnte so, wenn ich mich doch mal irrte (weil man lernt ja noch dazu beim Anwenden), einige Kilometer mit dem Auto sparen. Aber ich habe gemerkt, dass es gut funktioniert und dass ich auch weitere Anfahrten in den nächsten Monaten in Kauf nehmen könnte, sofern es wieder erlaubt ist.
Hier einige Motive, die direkt vor der Haustür bei mir zu finden waren. Ich musste in diesem Fall nichts weiter tun, als die Wettervorhersage zu beobachten und sobald ich ein schönes Abendrot kommen sah, bin ich rechtzeitig mit meiner Foto-Ausrüstung los marschiert und habe die Bilder gemacht.
Bei den Abendroten ist die Kunst vielleicht weniger beeindruckend, aber auch Bilder im Frost, im Schnee, im Nebel dieses Artikels sind meist schon am Tag vorher „geplant“ gewesen, weil ich wusste, was mich erwartete und ich mich darauf einstellen konnte.
So fuhr ich auch einige Male im Dunkeln los, weil ich wusste, es erwartet mich ein toller Sonnenaufgang. Alleine auf weiter Flur konnte ich diesen dann fotografieren und genießen.
Deshalb, wenn es mal ein Loch gibt, dann schaut euch Youtube-Tutorials an, lest ein Buch über das Thema, usw. und neue Ideen werden ganz von alleine kommen. Jeder hat zudem „Schwachstellen“ die er mit etwas Weiterbildung verbessern kann.
Tipp 6: Location scouten & experimentieren
Ein Punkt der sicherlich im Moment mit Vorsicht zu betrachten ist, gerade in Städten sollte man vielleicht im Moment eher nicht unnötig scouten gehen. Aber scoutet doch stattdessen lieber online und speichert euch Ideen in OneNote oder Google MyMaps. Oder scoutet in der Natur, fern ab von vielen Menschen und nutzt Uhrzeiten in denen sonst keiner unterwegs ist, bspw. früh morgens am Wochenende.
Ich war bspw. an verschiedenen Seen der Umgebung und habe nach Motiven geschaut. Die nächsten Bilder sind von meinen Scoutings. Sobald Jahreszeit und Wetter passen, werde ich wieder dort sein. Wobei sie auch so schon recht ansehnlich sind.
Außerdem habe ich einfach mal wieder etwas experimentiert, mit Brennweiten, Filtern, Langzeitbelichtungen, etc. einfach mal ausprobieren. Im schlechtesten Fall lernt man was daraus.
Tipp 7: Sich selbst ändern
Möglicherweise kommt euch alles immer so gleich und langweilig vor, weil ihr immer zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle seit. Ändere doch mal dein verhalten. Statt immer Abend spazieren zu gehen und Fotos zu machen, geht doch mal morgens. Statt immer die gleiche Runde zu drehen, lauft doch mal wo anders hin. Statt immer durch’s Ort zu laufen, lauf doch mal in den Wald, etc. Ihr werdet sofort neues entdecken und neue Ideen erschaffen.
Ich hoffe ihr habt schon beim Lesen neue Ideen entwickelt, ansonsten werdet ihr das sicherlich in den nächsten Tagen tun, wenn ihr euch meine Tipps ein wenig zu Herzen nehmt. Ich verspreche euch, zumindest vergeht so die Zeit im Lockdown auch noch etwas schneller!
Bis dahin, bleibt gesund!